Edgar Lösel - Reim und Welt

Man tut Edgar Lösel sicher nicht unrecht, wenn man von ihm sagt, er wolle sich einen Reim auf die Welt machen. "Aus dieser Spannung, der zwischen Reim und Welt, erwächst ja gerade die Poesie", sagt Lösel, "Will sagen: Zu reimen, was an sich ungereimt ist, unterwirft die Zerwürfnisse und Verwerfungen des Lebens der dichterischen Kraft." Lösel geht darum nur mit dem Paarreim bewaffnet auf Themen wie den 11. September los. Ein jeder von uns versucht doch, sich seinen Reim auf die Welt zu machen und trägt so den Keim für den Reim des Dichters in die Welt hereim.

Lösels dichterische Potenz erschöpft sich jedoch nicht im Reim: "Das hieße sich auf die notwendigerweise begrenzte Nahsicht des Individuums festzulegen, dem es es durchaus mißlingt, einen archimedischen Standpunkt einzunehmen", meint Lösel und fügt schelmisch hinzu: "Ein Standpunkt ist ein Horizont mit Radius Null". Ein altbekannter Aphorismus, der seine Pointe dem mathematischen Milieu entlehnt.

In der Fernsicht ist Lösel sehr wohl zu "objektivierenden" freien und durchaus experimentellen Formen fähig. Das zeigt nicht zuletzt sein Poem "Frieden und Krieg", das er selbst gleich in mehrere Weltsprachen übertragen hat. Hier ist die dualistische Dichtung mit Elementen der konkreten Poesie durchsetzt. Kein Reim heilt hier die Brüche, ebensowenig wie das abschließende Wortspiel. Hier spiegelt sich vielmehr das bis heute ungenügende Bemühen des Menschen wider, kriegerischen Auseinandersetzungen wahrhaft menschlich zu begegnen und sie zu löse(l)n.

Es verwundert nicht, dass Lösels Vorbilder geradezu Antagonisten der Poesie sind, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Karl Lang und G. Brauch. Während Lang die Reduktion der Sprache bis zu den einzelnen Buchstaben getrieben hat, feiert Brauch geradezu die sprachliche Unschuld der gereimten Anpreisung konkreter Gegenstände. Edgar Lösel widmet sich neben seinem dichterischen Schaffen damit, die Werke dieser beiden verkannten Schriftsteller dem Vergessen zu entreißen und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der non-volio-Verlag ist stolz der edition edgar lösel eine verlegerische Heimstatt geboten zu haben.

Neben der Lyrik hat sich Lösel auch mit dem Drama befasst. Davon künden seine Meisterdialoge, die ihre Inspiration durch die unübertrefflichen Werke des Meisters Vicco von Bülow nicht verleugnen können. Heutzutage beurteilt Lösel diese dramatischen Versuche mit einer Mischung aus Stolz und Resignation: "Es hat sich herausgestellt, dass all diese Mini-Dramen sich einen Wettlauf mit der Wirklichkeit lieferten, der dem von Hase und Igel gleicht. Vermeinte ich manchmal, mit einer absurden Szene der Realität ein gutes Stück voraus zu sein, verhöhnte mich diese alsbald mit einem selbstzufriedenem 'Ich bin schon da'."

© non volio 2004