Non Volio Dossier: Literarische Reisen in Nordamerika

Bill Bryson - A Walk in the Woods

Über 15 Jahre nach seiner ersten großen Reise durch die USA, die er in seinem Buch The Lost Continent beschrieb, zieht es Bill Bryson erneut hinaus. Diesmal versucht er zu wandern. Ja, zu Fuß gehen, einen Schritt vor den anderen. Eine zutiefst europäische Fortbewegungsweise, wie auch der Autor an verschiedenen Stellen deutlich macht. Umso bemerkenswerter ist es, dass er, nicht mehr jugendlich, nicht wirklich fit, dennoch versucht, den Appalachian Trail zu wandern, den mehrere tausend Kilometer langen Wanderweg, der sich auf dem Hauptkamm der Appalachen von Georgia nach Maine zieht.
Es ist ein witziges Buch, auf jeden Fall. Für alle, die jemals in den USA waren, vielleicht gar einen Nationalpark besucht haben, eine grandiose Erinnerung an die Widersprüche des amerikanischen Versuchs, outdoor experience zu organisieren. Parkplätze überall, Hinweisschilder, Straßen, aber abseits der Straßen, da wo man nur zu Fuß hinkommt, eine menschenleere Wildnis. An einigen Stellen bekommt diese Erfahrung die bittere Ironie dadurch, dass diese Wildnis aus aufgegebenen ehemaligem Kulturland besteht, wie im Shenandoah Nationalpark.
Bill Bryson wandert. Und er nimmt es lässig. In den Augen echter Profis lächerlich ausgerüstet, leicht übergewichtig und ohne echtes Training, machen sich Bryson und sein alter Kumpel Katz auf den Weg. Ihre Abenteuer und Brysons Überlegungen zum American Way of Life sind witzig, nachdenklich stimmend und wunderbar zu lesen. Es ist vor allem seine Ehrlichkeit, die das Buch lesenswert macht: Bryson scheut sich nicht, auf die Unterschiede zwischen Anspruch und Wirklichkeit am Appalachian Trail hinzuweisen, macht aber auch vor seinen eigenen Fehlern und Versäumnissen (und vor allem denen seines Mitwanderers) nicht halt. Im Gegenteil. Ein Wanderbuch, das dadurch überzeugt, dass das Ziel nicht erreicht wird, das Kompromisse nötig sind, dass Bryson am Ende mit dem Auto fährt, um die schönen Ecken zu erreichen, weil sich dazwischen jene häßlichen Abschnitte ausgebreitet haben, die wir aus The Lost Continent kennen.
Problematisch erscheinen dem Rezensenten zwei Dinge: Zum einen wirkt Brysons Wanderkumpan tatsächlich wie ein Depp, ein Effekt, der sich mit der Zeit abnutzt. Zum anderen werden die lästernden Beschreibungen fußfauler Amerikaner im Laufe des Buches redundant.
Für alle, die gerne mehr wandern würden, als sie es tatsächlich tun, ein ideales Buch, um mit Fernweh von einer langen Wanderung zu  träumen.

© Matthias Bode und non volio 2006