Odysseen im Weltraum - der Hitchhiker und 2001


Eines der gängigen Urteile über Douglas Adams besagt, er habe Science-Fiction-Parodien geschrieben. Kaum jemand hat sich bislang die Mühe gemacht, im Detail nachzuprüfen, wo und was Adams eigentlich parodiert hat bzw. ob es sich tatsächlich um eine Parodie handelt. In einigen der kommenden Folgen der Marginalia Futurologica möchte ich belegen oder zumindest plausibel machen, dass man Douglas Adams (DNA) gewissermaßen als »galaktischen Eklektizisten« bezeichnen kann. Eklektizismus meint hier nichts Negatives oder Anrüchiges, nicht zuletzt erzwingt der parodistische Ansatz der Hitchhiker-Trilogie eine kreative Verarbeitung vorhandener Versatzstücke. Das unterscheidet sich deutlich vom verwerflichen Ideenklau, obwohl die Grenze zwischen literarischer Kreativität und Kleptomanie sicher fließend ist. Nicht zuletzt ist es mein Ziel, das Werk von Adams aus der Isolationshaft des Kultphänomens zu befreien und in einen kulturhistorischen Kontext zu führen. Hier möchte ich auf den Einfluss von 2001 - A Space Odyssee von Stanley Kubrick und Arthur C. Clarke auf The Hitchhiker's Guide to the Galaxy hinweisen und Parallelen aufzeigen.

Das erste Mal 2001 zu sehen, gleicht entweder einer cineastischen Initiation oder quälender Monotonie. Mit seiner geradezu mystisch-religiösen Bildersprache, einem langen, in der Frühzeit des Menschen angesiedelten Epilog, lang- und schweratmigen Bildfolgen und dem eklatanten Mangel an Dialog und vordergründiger Action verstört oder fasziniert der Film eher als das er unterhält. Douglas Adams gehörte zur ersten Zuschauergeneration, die Kubrick mit seinem Meisterwerk noch vor der ersten Mondlandung auf den »ultimativen Trip« schickte:

TRAUM-TAGESAUSFLUG: Den habe ich schon hinter mir. Es war 1968 - ein Freund und ich haben für einen Tag die Schule geschwänzt, sind nach London gefahren und haben uns nachmittags auf Breitwand 2001 angesehen und abends Simon and Garfunkel live in der Royal Albert Hall erlebt. (DNA 1995) [Ada2003Ada2003, S. 74 / p. 38]
Kubricks Film hat, so scheint es, durchaus einen positiven und nachhaltigen Eindruck auf den 16jährigen Douglas gemacht. Adams brachte seine 2001-Rezeption auf einen schlichten quantitativen Nenner:
Der Film 2001 hat mir unheimlich gut gefallen, ich haben ihn mir sechsmal angeschaut und das Buch zweimal gelesen. (Douglas Adams 1983) [Gai1990, S. 206 / p. 178]
Deshalb verwundert es nicht, das bereits bei frühen komödiantischen Versuchen Douglas Adams' Bezug auf 2001 genommen wird. »Beyond Infinity« der Titel des Eröffnungsmonologs der Comedy-Revue Cerberus (The Amazing Three-Headed Revue), die Ende 1974 auf die Bühne kam,  ist eine direkte Referenz an 2001 und der Monolog enthält Zeilen, die sich später leicht abgewandelt im Hitchhiker finden werden sollten:
»I can't tell you how far it is - I mean it's far! You may think it's a long way down the street to the chemist's, but that's just peanuts to space.« [Sim2002, p. 55 f.]
2001 besitzt, auch wenn von Anfang natürlich primär als Film geplant, eine ähnliche Verquickung verschiedener Medien wie der Hitchhiker. Arthur C. Clarke hat dies in einem treffenden Bonmot zum Ausdruck gebracht:
[Ich] hatte [...] das Gefühl, wenn der Roman endlich erscheine, müsse er heißen »von Arthur C. Clarke und Stanley Kubrick, beruhend auf einem Drehbuch von Stanley Kubrick und Arthur C. Clarke« - während es beim Film umgekehrt zu lauten hatte. [Cla1983, S. 31 / p. 31]
Der Hitchhiker wurde mit der Zeit ein wucherndes Mediengeflecht: Hörspiel, Schallplatten, Bücher, Fernsehserie, Computerspiel und Comic. Nur auf die Kinoleinwand hat es der Hitchhiker, trotz hartnäckiger Bemühungen von Douglas Adams, zu seinen Lebzeiten nicht geschafft. (Mittlerweile haben jedoch die Dreharbeiten für eine Kinoversion begonnen.) Fest steht, dass vor allem die erste Staffel des Hörspiels zu knapp einem Sechstel von John Lloyd (Produzent von Spitting Image, Black Adder u. a., Ko-Autor von The Meaning of Liff) geschrieben [Sim2002, p. 109], den Ursprung aller folgenden Fassungen darstellt. Ebenso wie Clarke den verworfenen Ideen für 2001 ein eigenes Buch gewidmet hat [Cla1983], wäre es durchaus eine Untersuchung wert, welche Teile des Hitchhiker-Hörspiels in den nachfolgenden Inkarnationen auf der Strecke geblieben sind.
 

Der evolutionäre Zirkel

Kubrick schlägt in einem der beeindruckendsten Cuts der Filmgeschichte den Bogen von der Frühzeit des Menschen bis ins Raumfahrtzeitalter. In einem archaischen Gefühlsausbruch wirft der Affe Moonwatcher den Knochen, den er gerade zum Zertrümmern eines Tapirschädels benutzt hat, in die Luft. Der Knochen fliegt in Zeitlupe in den Himmel, Schnitt, ein knochenförmiger Satellit folgt seiner Bahn um die Erde. Eine eher zynische Botschaft dieser filmischen Pointe ließe sich wohl am besten mit Erich Kästner ausdrücken:
[B]ei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen. [Käs1998, S. 175]
Oder mit Raymond Queneau, der in seiner Taschenkosmogonie (1950) lakonisch schreibt:
Der Affe ward zum Menschen ohne Kraftentfalten,
der hat ein wenig später das Atom gespalten. [Que1978, S. 63]
Bei Douglas Adams mutiert diese Verkürzung zu einem historischen Kurzschluss, zumindest wenn man sich auf die erste Hälfte des Hörspiels, die Fernsehserie oder die ersten beiden Bände der Hitchhiker-Trilogie beschränkt: Hier erhalten die Urmenschen keine evolutionäre Hilfeleistung von einer höher stehenden außerirdischen Zivilisation, sondern sie werden von einem »Rudel hirnloser Irrer« aus der Entwicklungsgeschichte gekickt. Die rätselhafte »Superlernmaschine« in 2001, also der schwarze Monolith, zerbröselt im Hitchhiker zu einem Haufen Scrabble-Steine, Teil des hilflosen Bemühens von Arthur Dent, den vom Aussterben bedrohten »Höhlenmenschen« doch noch zu einer Zukunft zu verhelfen:
»Wir müssen ihnen Mut machen weiterzukommen! Sich zu entwickeln!«, rief Arthur aufgebracht. Er hoffte sein erschöpfter Seufzer und nun sein Zorn würden vielleicht helfen, etwas gegen das überwältigende Gefühl der Albernheit zu tun, das ihm im Augenblick zu schaffen machte. Sie halfen nicht. Er sprang auf.
»Kannst du dir vorstellen, wie die Welt aussähe, wenn sie von diesen ... Idioten abstammte, mit denen wir hier angekommen sind?«, sagte er.
»Vorstellen?« sagte Ford und zog die Augenbrauen hoch. »Wir brauchen sie uns nicht vorzustellen. Wir haben sie erlebt.«  [Ada1985b, S. 204 f. / p. 179]
Das hat nicht mehr viel mit der Evolution des Menschen zu tun, wie sie sich im Licht der Paläoanthropologie darstellt. Vielmehr bietet das absurde Arrangement des Hitchhiker einen bösartigen Seitenhieb auf die Gegenwart: Die Besatzung der B-Arche, das (scheinbar) entbehrliche Drittel der Bevölkerung des Planeten Golgafrincham, ist nichts anderes als eine Karikatur der modernen Menschheit:
»[...] die Idee war, daß in das erste Raumschiff, die Arche A, all die genialen Führungspersönlichkeiten kommen sollten, die Wissenschaftler, die bedeutenden Künstler, verstehen Sie, alle die großen Macher; und ins dritte Schiff, die Arche C, kamen alle Leute, die die ganze Arbeit machen, die die Sachen tun und die Dinge machen; und schließlich in die Arche B - das sind wir - kamen alle übrigen, die Mittelsmänner und Agenten, verstehen Sie?« [Ada1985b, S. 163 / p. 143]
Wäre die Arche B im Jahre 1904 von der Erde aus gestartet, so wäre der Anzeigenakquisiteur Leopold Bloom sicher mit an Bord gewesen...

Die Golgafrinchamer beharren nach ihrer Bruchlandung auf der urzeitlichen Erde (bzw. Fintelwudelwix) stur auf ihren erlernten Verfahrensweisen, auch wenn diese hier nun jeder Zweckmäßigkeit entbehren. Während der Urmensch in 2001 den Knochen als tödliches Mittel zum Zweck, als Garant für das Überleben und die Weiterentwicklung der eigenen Art entdeckt, scheitern im Hitchhiker die Golgafrinchamer selbst kläglich daran, das Feuer und das Rad zu erfinden und verwickeln sich stattdessen in haltloses Marketing-Gerede:

»... dann ... werden ... Sie ... sehen ...«, fuhr das Mädchen unverdrossen fort, »daß wir heute vom Feuerentwicklungs-Unterausschuß der Frisöre einen Bericht erhalten.«
»Oh ... äh ...«, sagte der Frisör und guckte dämlich, was in der ganzen Galaxis »Äh, reicht's nicht bis nächsten Donnerstag? bedeutet.«  [Ada1985b, S. 195 / p.171]

»Das kannst du dir hinter den Spiegel stecken!« sagte er.
»Was genau das ist, was wir müssen«, beharrte das Mädchen. »Wollen die Leute ein Feuer, das auch Spiegelmäßig verwendbar ist?« [Ada1985b, S. 196 / p.172]

Trotzdem können sich die Golgafrinachamer in der Evolution irgendwie durchmogeln, nur um zwei Millionen Jahre später (wiederum) von den Vogonen ausgelöscht zu werden, ein Ereignis, das Arthur Dents galaktische Odyssee in Gang gesetzt hatte. Aus diesem Zeit-Paradox gibt es kein Entrinnen außer dem Geldmangel des Autors, der sich zu einer Fortsetzung hinreißen ließ.

Adams bevölkert die vorgeschichtliche Erde mit den »Produkten« der Moderne, den oft aufgeblasenen Mittelsmännern und Agenten, Kubrick präsentiert in seinem Film Protagonisten, die kaum als Helden taugen, eher noch als Weltraum-Bürokraten. Selbst Bowman und Poole wirken eher wie interplanetare Zugführer und nicht wie coole Raumschiffpiloten. Der Kontrast zu den primitiven Urmenschen könnte - wie auch im Hitchhiker - nicht größer sein.

Bei Kubrick und Clarke wird die Menschheit unter die Fittiche einer höheren außerirdischen Macht genommen, bei Adams ist sie zunächst integraler Bestandteil und dann Systemfehler in der großen Maschinerie namens Erde, welche die Frage aller Fragen finden soll, deren lapidare Antwort 42 lautet. Kubrick setzt Dave Bowman in der »Unfasslichkeit« aus; Adams katapultiert Arthur Dent in die Galaxis. Das Treiben dort ähnelt jedoch, wenn man es genau betrachtet, allzu sehr dem auf der Erde.

Welche Botschaft geben uns die Autoren von 2001 und dem Hitchhiker damit auf den Weg? Kubrick hat sich mit den Worten »Es gibt keine Botschaft, die ich je in Worte zu fassen beabsichtige« [DFM2004, S. 8] elegant auf seine Rolle als Magier der Bilder zurückgezogen. Sein Film schließt mit dem Anblick des Sternenkindes, in das Dave Bowman verwandelt wurde. Das verweist wohl auf den »embryonalen« Zustand der Menschheit kurz vor dem »nächsten Schritt«, den Schritt der Menschheit in ein neues Zeitalter. Kubrick hat versucht, diesen Sprung in eine Zukunft, die für uns ebenso unvorstellbar sein dürfte wie unsere Gegenwart für den Urmenschen, in einen visuellen Trip umzusetzen, nicht jedoch ihn zu explizieren. Auch Clarke weiß nicht so recht, welche Welt sich hinter dem Sternentor befindet. Er spekuliert nur darüber, ob wir, die wir »unseren herrlichen Besitz vergeudet und besudelt« haben [Cla1983, S. 252 / p. 239], nicht unbarmherzige Rache statt Gnade vom »heimgekehrten Odysseus« zu erwarten haben.

Bei Adams gibt es keinen kollektiven Fortschritt der Menschheit, seiner Entwicklungsgeschichte des Menschen haftet eher eine gehörige Portion Zivilisationskritik und -pessimismus an. Der Sprung in die Wunderwelt des Weltraums ist kein Sprung der gesamten Menschheit, sondern ein höchst individueller Trip von Arthur Dent. Doch anders als Dave Bowman, der stets seltsam seelenlos agiert, erscheint Arthur stets als Mensch aus Fleisch und Blut, der sich auch noch in den skurrilsten Situationen treu bleibt und so zur Identifikationsfigur werden kann.

Reihen sich 2001 und der Hitchhiker in die Reihe der »evolutionär inspirierten« Science Fiction-Literatur ein, deren Ahnherren wohl H. G. Wells (The Time Machine) und Samuel Butler (Erewhon) sein dürften? Es erscheint mir in jedem Fall nicht übertrieben, schon auf der ersten Seite des Hitchhiker die Keimzelle für Douglas Adams' späteres Interesse am Ursprung des Menschen und Lebens zu sehen:

Viele kamen allmählich zu der Überzeugung, einen großen Fehler gemacht zu haben, als sie von den Bäumen heruntergekommen waren. Und einige sagten, schon die Bäume seien ein Holzweg gewesen, die Ozeane hätte man niemals verlassen dürfen. [Ada1985a, S. 7 / p. 6]
Schließlich antwortete Adams später in einem Fragebogen des britischen Observer auf die Frage nach seinem Traum-Projekt:
Wenn mir unbegrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung stünden, würde ich gern ein großes Forschungsprojekt finanzieren, das sich mit dem Ursprung der Menschheit und dem Übergang vom Affen zum Menschen beschäftigt. [Ada2003,  S.73 / p. 37]

HAL und Eddie

HAL, der Bordcomputer der Discovery in 2001, ist unbestritten einer der beeindruckendsten nichtmenschlichen Charaktere in der Filmgeschichte, der allerdings oft menschlicher daherkommt als die menschlichen Protagonisten des Films. Und Eddie, der aufgekratzt daherquatschende Bordcomputer der Heart of Gold, ist sicherlich eine äußerst penetrante Parodie auf den neurotischen HAL. Denn auch wenn sich die Umgangsformen dieser beiden Raumschiff-Schaltzentralen deutlich unterscheiden, hier der vornehm-verbindliche HAL, dort der kumpelhaft-joviale Eddie, erweisen sie sich in mancherlei Hinsicht als durchaus ähnlich:

1. Sowohl HAL als auch Eddie würden unzweifelhaft den »Touringtest« bestehen, wie es so hübsch falsch im Aufsatz »Designing the Future - Zur pragmatischen Prognostik in 2001: A Space Odyssey« von Volker Fischer heißt:

Dieser Supercomputer [d. h. HAL, AP], der die Discovery auf ihrer Mission zum Jupiter steuert und alle Lebensvorgänge und - funktionen der Astronauten überwacht, könnte den Touring-Test  [sic! AP] locker absolvieren. Denn dieser Test untersucht, ob und ab wann ein Computer sich seiner selbst bewusst ist, ... [DFM2004, S. 110]
Das tut der Turing-Test natürlich nicht, aber HAL und Eddie besitzen beide eine solch ausgeprägte Arroganz, dass ihnen ein geradezu unerschütterliches Selbstbewußtsein zugeschrieben werden muss:
»Listen, Hal - there's never been any incidence at all of a computer error occurring in a 9000 series, has there?«
»None whatsoever, Frank. The 9000 series has a perfect operational record.« [Biz2000, p. 48]

»Diesem Computer würde ich nicht mal zutrauen, daß er mir mein Gewicht richtig sagt.«
»Kann ich sofort für dich erledigen, klar«, begeisterte sich der Computer und spuckte noch mehr Lochstreifen aus. »Ich kann dir deine persönlichen Probleme auf zehn Stellen hinter dem Komma ausrechnen, wenn dir das was hilft.« [Ada1985a, S. 110 / p.  91]

Diese Arroganz findet sich z. B. auch bei Deep Thought, dem zweitgrößten Computer im Universum aus Raum und Zeit:
»Der Große Hyperlobische Allverwandte Neutronenzänker«, sagte Deep Thought und rollte eindrucksvoll die Rs, »kann vielleicht einem akturanischen Mega-Esel alle vier Beine wegdiskutieren -, aber nur ich könnte ihn dann noch zu einem Spazierritt überreden.« [Ada1985a, S. 154 / p. 127]
Wir können nur hoffen, dass wir uns sobald nicht mit unseren Computern unterhalten müssen...

2. Sowohl HAL als auch Eddie gefährden die Mission. Doch während sich HAL in eine schwerwiegende Neurose hineinsteigert, die aus konfligierenden Zielen erwächst, klemmt bei Eddie schlicht irgendetwas. HAL wird zum Mörder und schließlich infantilisiert, Eddie zum hilflosen Seelsorger bei einem drohenden Raketenbeschuss:

»My instructor... was Mr Langley... and he taught me to sing a song... If you'd like to hear it... I can sing it to you...«
»Yes, I'd like to hear it, Hal. Sing it for me,« Bowman gasps.
»It's called 'Daisy'...« [Biz2000, S. 60]

Der Computer fing an zu singen. »O Welt, ich muß dich lassen ...«, wimmerte er nasal. »ich fahr dahin... « [Ada1985a, S.121 / p.  99]

3. Nicht zuletzt eint HAL und Eddie ihr Unwillen, wenn es darum geht Türen zu öffnen:
»Open the pod bay doors, Hal!« [...]
»I'm sorry Dave. I'm afraid I can't do this.« [Biz2000, S. 56]

»Würdest du die Güte haben und die Ausstiegsluke öffnen, Computer?« [...]
»Nicht eher, als bis sich der gemeldet hat, der das gesagt hat«, beharrte der Computer und schaltete ein paar von seinen Synapsen ab. [Ada1985a, S. 127 / p. 105]

Im Falle von HAL hilft Wagemut und ein beherzter Griff in den Speicher, bei Eddie die Androhung von rabiaten Eingriffen in die Hardware, schmollend reduziert dieser seine intellektuelle Kapazität gleich selbst. Zehn Jahre liegen zwischen HAL (1968) und Eddie (1978) und vielleicht manifestiert sich in ihnen auch ein wenig der Wandel des Zeitgeistes: Die Sechziger Jahre waren eine Zeit des hoffnungsvollen Aufbruchs und des naiven Staunens, die Siebziger Jahre eher eine Periode der unverbindlichen Dekadenz und des Kommerzes - aus Pathos wurde Flapsigkeit. Das zeigt sich wohl auch in der Form der Raumschiffe: Die Discovery nimmt bei aller modernen Technik die archaische Knochenform auf, die Heart of Gold ist geformt wie ein schicker Turnschuh.
 

Ein Walzer am Ende der Welt

Die Bedeutung der Musik in Kubricks Film kann wohl kaum überschätzt werden. Wer diesen Film wachen Ohres gesehen hat, dem werden vor dem inneren Auge nur noch drehende Raumstationen erscheinen, wenn »An der schönen blauen Donau« ertönt. Eine Prägung, die durchaus mit der verqueren Wahrnehmung der Zahl 42 nach der Lektüre des Hitchhiker zu vergleichen ist.

Als Intro ertönen sowohl in 2001 als auch im Hitchhiker fanfarenartige Klänge: »Also sprach Zarathustra« von Richard Strauß bei 2001 und beim Hitchhiker »Journey of the Sorcerer« von Bernie Leadon (zu finden auf der Eagles-LP One Of These Nights von 1975). Interessanterweise hört man auch im Anhalter-Hörspiel die Zarathustra-Einleitung, und zwar als Arthur und Co. den Planeten Magrathea betreten - für Arthur der erste Schritt auf einem fremden Planeten. Allerdings findet sich die Strauß-Komposition nur auf der Kassetten- bzw. CD-Version des Hörspiels, in der Ursendung erklingt (wie auch in der deutschen Hörspiel-Fassung) das ellenlange Intro von »Shine On You Crazy Diamond« von Pink Floyd. Der Grund? Die BBC erhielt schlicht nicht das Recht, das Pink Floyd-Stück auf den Hitchhiker-Tonträgern zu verwenden. Dies ist umso erstaunlicher, da Douglas Adams mit den Bandmitgliedern David Gilmour und Nick Mason befreundet war. Da Adams jedoch keinerlei Bekanntschaft mit Roger Waters pflegte, lässt sich zumindest spekulieren, dass eventuell Waters ein Veto eingelegt haben könnte. Genauso gut kann es aber auch sein, dass nur die Pink Floyd-Anwälte ihre Finger im Spiel hatten. Um den Kreis zu schließen: Es geht das Gerücht um, dass Roger Waters bei Stanley Kubrick anfragte, ob er das schwere Atmen von Dave Bowman in seinem Song »Amused To Death« verwenden dürfe. Kubrick lehnte rundweg ab. Roger Waters »bedankte« sich mit einigen Unflätigkeiten, die er rückwärts gespielt in das Stück integrierte.

Die Verwendung von Kompositionen von György Ligeti für den Soundtrack von 2001 war sicher einer der Geniestreiche von Kubrick, der Adams sicherlich dazu inspiriert hat, auch für das Hitchhiker-Hörspiel auf Ligeti-Kompositionen zurückzugreifen. So erklingt beispielsweise »Lontano« aus Ligetis »A Modern Mass for the Dead« in einer Passage des Erzählers (»On this particular Thursday, ...« [Ada1985c, p. 22]), oder in späteren Folgen die Kompositionen »Melodien« und »Volumina«. Bezeichnend ist, dass Douglas Adams 1994 für die Radiosendung Desert Island Discs neben u. a. »Drive My Car« von den Beatles oder »Hearts And Bones« von Paul Simon auch Ligetis »Requiem« auswählte, das in 2001 erstmals bei der Entdeckung des Monolithen durch die Urmenschen ertönt.
 

Im Durchblicksstrudel ... und darüber hinaus

Damit möchte ich meinen kleinen Streifzug durch die Welten von 2001 und Hitchhiker zunächst einmal beschließen, auch wenn ich glaube, dass die Thematik sicher noch nicht ausgeschöpft ist. Wie steht es etwa mit dem »Totalen Durchblickstrudel«, dem sich Zaphod Beeblebrox aussetzen muss? Birgt das Anleihen an die Reise Dave Bowmans durch den Sterntunnel, an deren Ende er die Welt mit neuen Augen sieht? Und wer fühlt sich bei folgendem Zitat nicht unwillkürlich an den »Bistromathic Drive»« aus Life, the Universe and Everything, dem dritten Band der Hitchhiker-Trilogie, erinnert:
10. November [1965]. Begleite Stan und den Baustab in die Erdorbitalstation und sagte beiläufig, das Cockpit sehe aus wie ein chinesisches Restaurant. [Cla1983, S.42 (!) / p.  38 f.]
Ach ja, das Buch von Clarke über die verworfenen Ideen von 2001 hat übrigens exakt 42 Kapitel.
 

Danksagung

Ich danke Matthias Bode für nützliche Änderungsvorschläge, Korrekturen und Links. Uwe Lambach und Stefan Müller haben die Arbeit an diesem kleinen Aufsatz dadurch befördert, dass sie mich mit den Büchern The Salmon of Doubt bzw. Lachs im Zweifel beglückt haben. Uwe danke ich auch für weitere Korrekturen.
 

Literatur

Ich zitiere, soweit möglich, stets aus deutschsprachigen Ausgaben der genannten Werke, nenne jedoch auch an zweiter Stelle die Seitenangabe der englischsprachigen Originalausgaben, die hier ebenfalls aufgeführt sind:
 
[Ada1985a] Adams, Douglas: Per Anhalter durch die Galaxis
Frankfurt/M. - Berlin: Ullstein (1985)
[engl.: The Hitch Hiker's Guide To The Galaxy, London: Pan (1979)]
[Ada1985b] Adams, Douglas: Das Restaurant am Ende des Universums
[engl.: The Restaurant At The End Of The Universe,  London: Pan (1979)]
[Ada1985c] Adams, Douglas: The Hitch -Hiker's Guide To The Galaxy
- The Original Radio Scripts
London: Pan (1985)
[Ada2003] Adams, Douglas: Lachs im Zweifel - Zum letzten Mal per Anhalter durch die Galaxis 
o. O.: Heyne (2003)
[engl.: The Salmon of Doubt - Hitchhiking the Galaxy One Last Time, New York: Harmony (2002)]
[Cla1980] Clarke, Arthur C.: 2001: Odyssee im Weltraum 
 München: Heyne (1980)
[engl.: 2001: A Space Odyssey, New York: Signet (1968)
[Cla1983] Clarke, Arthur C.: 2001: Aufbruch zu verlorenen Welten 
[engl.: The Lost Worlds of 2001, London: Sidgwick & Jackson (1972)]
[DFM2004] Deutsches Filmmuseum (Hrsg.): Stanley Kubrick
Schriftenreihe des Deutschen Filmmuseums, Frankfurt/M. (Kinematograph 19/2004)
[Gai1990] Gaiman, Neil: Keine Panik - Mit Douglas Adams durch die Galaxis
Frankfurt/M: Ullstein (1990)
[engl.: Don't Panic - Douglas Adams & The Hitch Hiker's Guide to the Galaxy
London: Titan (2. ed.1993; 1. ed.1988)]
[Käs1998] Kästner, Erich: Werke, Bd. 1 (Gedichte)
München: Hanser (1998)
[Que1978] Queneau, Raymond: Taschenkosmogonie
Heyne [Heyne Lyrik], München (1978) 
[Sim2002] Simpson, M. J.: Hitchhiker - A Biography of Douglas Adams
London: Hodder & Stoughton (2003)

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