Das Seminar für Science Fiction Film (SfSFF)

Warum um Himmels Willen sehen wir uns denn ausgerechnet Science Fiction-Filme an?
Und was bitte schön ist ein Science Fiction-Film?

The Golden Age of Science Fiction is twelve.
Peter Graham

Das Seminar für Science Fiction Film (SfSFF) versteht sich ausdrücklich als intergalaktisch und transdisziplinär. Es verdankt seine Entstehung jedoch nicht etwa einer Supernova, sondern einem überaus anregenden Seminar am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie der Philipps-Universität Marburg. Im Sommersemester 1996 befassten sich dort Studierende unter der kundigen Leitung von Achim Bühl mit der Soziologie der Science Fiction. Zu den Teilnehmern gehörten auch Mülli Idüllüschön und Edgar Lösel. Beide besuchten auch das schlechter besuchte frühmorgendliche Folgeseminar Soziologie der Künstlichen Intelligenz, abermals unter der akademischen Ägide Achim Bühls.

Angeregt durch die soziologische Beschäftigung mit Science Fiction-Filmen, verfolgten Idüllüschön und Lösel das Ziel, die Auseinandersetzung mit diesem Genre auch nach der Studienzeit auf akademischem Niveau weiterzuführen. Von nun an galt es, im Kino keinen Science Fiction-Film mehr zu verpassen. Damit war das Seminar für Science Fiction-Film (SfSFF) geboren, das seine Arbeit mit dem eher genrefernen Film Space Cowboys (2000, Regie: Clint Eastwood) aufnahm. 

Doch was sind das eigentlich für Filme, mit denen sich das SfSFF beschäftigt? Die Antwort „Na, Science Fiction-Filme, was sonst!?“ wäre wohl allzu tautologisch. Da die film- wie literaturwissenschaftliche Genrediskussion überaus verwickelt ist, möchte ich hier eine betont sparsame und pragmatische Definition für Science Fiction-Filme vorschlagen. Diese sollten mindestens einem der folgenden fünf Kriterien genügen: 

(1) Die Handlung spielt (zur Zeit der Entstehung des Films) in der Zukunft.

(2) Teile der Handlung spielen im Weltraum. 

(3) Bislang nicht bekannte wissenschaftliche Erkenntnisse und/oder technische Entwicklungen spielen im Film eine mehr oder weniger tragende Rolle.

(4) Zu den Protagonisten gehören auch außerirdische Lebensformen.

(5) Alternative Entwicklungen in Zeit und/oder Raum (wie z. B. Zeitschleifen oder Parallelwelten) zur vermeintlich geradlinig verlaufende Realität sind möglich.

Dieser kleine Kriterienkatalog mag primitiv anmuten. Er geht aber deutlich über eine Genredefinition à la „Ein Western ist ein Film, in dem die Hauptperson einen Cowboy-Hut trägt.“ hinaus. Seine Stärke liegt darin, dass sich damit so gut wie alle Filme erfassen lassen, die bislang von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des SfSFF gesichtet worden sind. Doch drängt sich die Frage nach Zweifelsfällen auf: Gibt es Filme, die wir mit den fünf Kriterien ungerechtfertigt links liegen gelassen haben? Existieren Filme, die allgemein zum Science Fiction-Genre gezählt werden, die jedoch keines der fünf Kriterien erfüllen? Sind Superheldenfilme, Katastrophenfilme und filmische "Alternate Histories" Science Fiction-Filme oder nicht? (Beispiele für Zweifelsfälle wären Filme wie Stalker, Brazil oder Butterfly Effect)

Letztendlich dürfte sich die Brauchbarkeit der „Fünf-Kriterien-Definition“ wohl nur in der Praxis erweisen. Häufen sich Ausnahmefälle und Ungereimtheiten, dann ist sie unbrauchbar. Plausibel sollte jedoch sein, dass die genannten Kriterien keinesfalls anderen interpretatorischen Zugängen den Weg verbauen.

Ist eine hieb- und stichfeste Genre-Abgrenzung überhaupt erstrebenswert? Sollte sich „ab initio“ feststellen lassen, ob ein Film ein „lupenreiner“ Science Fiction-Film ist oder nicht? Das wird wohl nur jemand verlangen, der einem rigiden Schubladendenken verhaftet ist. Man vergleiche diese Frage mit dem Versuch, "Jazz" zu definieren. Diese überaus wandlungsfähige Musikrichtung existiert sicher auch ohne exakte und trennscharfe Definition. Auch ohne diese sollte es möglich sein, Musik mit dem Etikett Jazz kritisch zu würdigen oder als oberflächliche Effekthascherei zu entlarven.

Viel spannender erscheint es mir, statt einer hieb- und stichfesten Definition die neuartigen Gestaltungs-, Unterhaltungs- und Erkenntnismöglichkeiten des Science Fiction-Genres aufzufinden. Bietet es Regisseurinnen und Regisseuren neue kreative Freiräume? Verschafft es dem Publikum bislang ungekannte Oho- wie Aha-Erlebnisse? 

Eine Definition des Science Fiction-Films sollte offen lassen, ob der betreffende Film ein guter oder schlechter Film ist, ob "nur" spannende Unterhaltung oder gar hohe Kunst geboten wird. Denn per Definition wird sich schwerlich entscheiden lassen, ob uns ein Science Fiction-Film wirklich die Welt durch die Augen eines Künstlers sehen, oder ob wir bloß durch eine kommerziell gefärbte Brille auf einen billigen Zerrspiegel blicken.

Oder ist das Science Fiction-Genre im Sinne des vorangestellten Zitats letztendlich doch nur infantil? Wenn darin auch die Möglichkeit für kindliches Staunen enthalten ist, dann können wir mit einer solch vordergründigen Charakterisierung vortrefflich leben.

Mülli Idüllüschön & Edgar Lösel

Nachbemerkung: Ich danke Herrn Peter Schmidt für seine berechtigte Kritik an der vorherigen inakzeptablen orthographischen und grammatikalischen Form dieser Ausgabe der Marginalia Futurorologica.

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