Marginalia Futurologica 12 (2005)

Douglas Adams - Die Reise nach Nirgendwo

aka The great disappearing mystery
Aus der Serie Dr. Snuggles 

Noch ein vergessenes Werk von Douglas Adams

Diese Seite, die Besprechung schließt direkt an die Besprechung von "Die Wasserdiebe aus dem Weltraum" an und beginnt mit Douglas Adams schreibt für Dr Snuggles.

Die Reise nach Nirgendwo -
The great dissappearing mystery
Der Kinderkanal hat zu dieser Folge folgenden Text voller Ausrufezeichen ins Netz gestellt, auf den man bei der Netzsuche immer wieder stößt:

12. Die Reise nach Nirgendwo
Doctor Snuggles hat es wirklich nicht leicht mit seiner Haushälterin Fräulein Reinlich. Diesmal ist sie ganz harmlos zum Nachmittagstee zu ihrer Freundin, Madame Etepetete, gegangen. Da kommt ein fürchterliches Klauenwesen und grapscht sich die beiden Damen. Eine Entführung! Wenig später verschwindet auch die Hexe Wilhelma Weinessig auf die gleiche Weise. Doctor Snuggles, der geniale Erfinder, strengt seinen klugen Kopf an, um die drei zu retten. Er erfindet eigens eine neue Maschine, um die Reise nach Nirgendwo antreten zu können, denn irgendwo im Nirgendwo, da sind die drei Damen verschollen...
Textquelle: Kinderkanal ARD/ZDF - Länge: 25'

Was sich hier ziemlich albern anhört, ist es auch. Während das Manuskript das Aussehen der Verschwinde-Maschine offengelassen haben mag, muss eine Fernsehserie dieses Produkt einer überbordenden Phantasie auch zeigen. Es erweist sich als klappriges kleines Auto, dessen Windschutzscheibe ersetzt wurde durch ein Brett, damit man nicht sieht, wohin es geht. Dr Snuggles und seine Freunde fliegen dann in den Weltraum, finden Einzelteile vom Teeservice von Madam Etepetete und wissen so, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Am Ende landen sie auf einem Planeten, auf dem die Vögel sprechen können und viel größer sind als die Menschen. Erstaunt und verunsichert finden unsere Helden schließlich das Haus eines Gelehrten, wo sich herausstellt, dass alle drei Frauen von der Erde in kleinen Käfigen gehalten werden. Mühsam und langsam erklären Dr Snuggles und seine Freunde dem großen Vogel-Gelehrten, dass Menschen es nicht mögen, in Käfigen gehalten zu werden. Nachgerade erschüttert erkennt dies der Gelehrte und gibt die drei Frauen frei. Alle fliegen heim und sind glücklich. Als Wilhelma Weinessig ihren Kanarienvogel wieder in den Käfig sperren will, muss der Gelehrte offensichtlich nochmal vorbeikommen, um ihr doch noch mal Manieren beizubringen.

Zur Interpretation und Einordnung.
Soweit die Geschichte. Man fragt sich, ob man es eher albern, kindisch oder banal nennen möchte. Wahrscheinlich ist es alles drei auf einmal. Oder einfach märchenhaft. Ja, das wird es sein. Und wird zwar den anderen Dr Snuggles-Folgen gerecht, fällt aber hinter die Die Wasserdiebe aus dem Weltraum deutlich zurück. Wir könnten hier schließen mit der Feststellung, dass Douglas Adams und John Lloyd jung waren und das Geld brauchten. Aber es soll hier auch um die Einordnung des vorliegenden Materials in das Gesamtwerk von Douglas Adams gehen. Und dort werden wir an einer gänzlich unerwarteten Stelle fündig.
Am 14. März 1994 spricht Douglas Adams auf einer Literaturveranstaltung in Göttingen und liest dabei Passagen aus seinen Büchen vor. Das Ereignis ist einer damals mal bei Zweitausendeins verkauften CD für die Nachwelt festgehalten. Douglas Adams sagte damals (ins Deutsche übersetzt von Christop Reisner) kurz nachdem er die Geschichte vom Jangtse-Flussdelphin aus Last Chance to See vorgelesen hat:

Aber wenn man versucht, sich in die Wahrnehmung dieses Delphins hinein zuversetzen, der sich, wie gesagt, durch Töne orientiert und sich nun in Fischernetzen verheddert, mit Booten zusammenstößt, in Schiffsschrauben gerät, und das alles auch noch in total verschmutztem Wasser - dann denkt man sich: "Für dieses Tier muß das Leben die Hölle sein." Aber es verlangt einen gewaltigen Sprung in der Wahrnehmung, im Vorstellungsvermögen, um das zu erkennen. Und normalerweise machen wir diesen Sprung nicht, weil wir die Welt so sehen, wie wir sie sehen, mit unserem eigenen Wahrnehmungssystem. Und dabei sind wir uns nicht bewußt, daß es sich eben nur um ein Wahrnehmungssystem unter vielen handelt - wir denken, daß nur das, was wir wahrnehmen, ein vollständiges Bild von der Welt liefert, und das ist eben nicht der Fall. Jedes Tier nimmt die Welt anders wahr, und je nachdem, was für ein Tier man ist, und in welcher Welt man lebt, stellt sie sich vollständig anders dar.
Bevor ich das gemacht habe, hatte ich kein großes Interesse an Tieren. [...] Erst durch meine Madagaskar-Reise sind mir diese ganzen Zusammenhänge schlagartig klargeworden. Aber dann erkannte ich, daß ich das alles irgendwie auch schon vorher wahrgenommen hatte, wenn auch vielleicht, ohne mir dessen vollständig bewußt gewesen zu sein.

Er liest dann die Milliways-Passage aus "The Restaurant at the End of the Universe" vor.

Hier also liegt die Perle, der Schatz, der zu heben war, bevor eine solche Geschichte wie diese Dr Snuggles-Folge überhaupt Sinn ergeben kann. Es geht um den Perspektivenwechsel. Der ist in der Dr Snuggles-Folge krude und grob, aber in kindlich - oder kindisch? - vereinfachter Form vollzogen. Man sieht hier den Anfänger, den Neuling am Werk, aber bereits in der Zeit nach der Radio-Serie. Das menschliche Tun wird gegen den Strich gebürstet und in eine andere Relation gestellt. Sei es, dass die Erde gesprengt wird, nachdem Arthur Dents Haus abgerissen worden war, sei es, dass die Kuh im Restaurant sagt, welche Teile ihrer Hüfte besonders lecker sind, sei es, wie in Last Chance to See, dass sich der Adams Gedanken darüber macht, wie die Welt für dieses Tier sein muss: Adams wechselt die Perspektive. Und das tut er auch in dieser Dr Snuggles-Folge.
Nebenbei entführt Adams den guten Doktor in dieser Folge wieder, wie in Die Wasserdiebe aus dem Weltraum, auf einen fernen Planeten, erneut geht es um das Verhältnis von Mensch und Mitwelt, ein der andern Folge um die Wasserverschmutzung, in dieser um die Behandlung der Haustiere.
Wir finden also in dieser Folge wie auch schon in der anderen Folge die Grundthemen des Werkes von Douglas Adams vorhanden, roh, ungeschliffen, in der (vermutlich spaßigen) Zusammenarbeit mit John Lloyd, vermutlich überarbeitet von Jeffrey O'Kelley, aber trotzdem deutlich erkennbar: Die Relativierung des Menschen, der überdrehte Perspektivenwechsel und das Verhältnis von Mensch und Tier, von Mensch und Umwelt.


Weitere Links
Die Diskussionen in der USENET-Gruppe alt.fan.douglas-adams  helfen bei Fragen sicherlich weiter. Erstaunlicherweise ist die Ausbeute in den USENET-Gruppen überhaupt relativ dünn und fehlerhaft.

© Alexander Pawlak und Matthias Bode und  non volio 2005