Marginalia Futurologica 12(2005)

Douglas Adams - Die Wasserdiebe aus dem Weltraum

aka The Remarkable Fidgety River aka Dr Snuggles and the Frightened River aka The Nervous River
Aus der Serie Dr. Snuggles 


Folge 7: The Remarkable Fidgety River bzw. „Die Wasserdiebe aus dem Weltraum“.
Der Kinderkanal hat zu dieser Folge folgenden Text voller Ausrufezeichen ins Netz gestellt, auf den man bei der Netzsuche immer wieder stößt:

Die Wasserdiebe aus dem Weltraum
Das Wasser auf der Erde wird von Tag zu Tag weniger! Als Doctor Snuggles diese Warnung erhält, macht er sich sofort mit seinen Freunden auf den Weg, um nach der Ursache zu forschen. Ohne Wasser leben! Da müssen ja alle verdursten! Doctor Snuggles findet auf seiner gefahrvollen Reise des Rätsels Lösung. Er entdeckt die Wasserdiebe aus dem Weltraum, lauter kleine Wesen, die von einem fernen Wasserplaneten kommen. Sie tragen ganz einfach das Wasser in großen Blöcken von der Erde weg! Da kann nur noch Doctor Snuggles helfen! 25min

Der Fluss, der im englischen Titel genannt ist, bildet den Anlaß der Nachforschungen von Dr. Snuggles und seinen Freunden. Denn sie finden heraus, dass die Trockenheit in ihrem Fluss nicht etwa daran liegt, dass es kein Wasser mehr gebe, nein, weit gefehlt. Das Flussbett ist ausgetrocknet, weil der Fluss in seiner Quellhöhle sitzt und Angst hat, ins Meer zu fließen, weil da ja Löcher sind, Löcher, die von den fremden Wesen ins Meer geschnitten werden, um das Wasser in großen Blöcken von der Erde zu stehlen - und das sind eben die Wasserdiebe des deutschen Fernsehtitels.
Natürlich verrät die Ankündigung des KiKa nicht, wie es endet. Wir tun dies hier: Dr. Snuggles fliegt mit seiner Rakete zum Wasserplaneten, wo er die Meerwasserblöcke findet, die die Wasserwesen von dort auf der Erde gestohlen haben. Es stellt sich heraus, dass sie es nicht böse meinen, sondern dass sie schlicht bemerkt haben, in welch beklagenswert verschmutztem Zustand die Meere und Flüsse der Erde sind. Sie schlossen daraus, dass wir, die Menschen der Erde, das Wasser wohl nicht mehr brauchen und nahmen es einfach mit. Als Dr. Snuggles ihnen erklärt, wie unbedingt lebensnotwendig das Wasser für die Erde und ihr Ökosystem ist, darf er das Wasser wieder mitnehmen. Snuggles und seine Freunde binden die Blöcke an ihre Rakete und fliegen zurück zur Erde, wo sie die Blöcke wie Bauklötze in die Löcher im Meer wieder einpassen. Am Schluss fliegen sie wieder zum Fluss, dem sie die guten Nachrichten mitteilen. Der freut sich und ergießt sich wieder in sein Bett.

Zur Interpretation
Es ist bezeichnend, dass es diese Folge ist, die Douglas Adams geschrieben hat: Denn es ist eine, die Dr. Snuggles auf einen fremden Planeten führt. Der Rest der Geschichten mag noch so verschroben irre sein in ihren Einfällen, doch diese führt in den Weltraum. Wir sehen hier den Science-Fiction-Autor am Werk. Noch dazu mit Adams-typischen Einfällen: Ein Fluß, der Angst hat, ins Meer zu fließen? Löcher im Meer? Geklautes Wasser? Wasserblöcke, an eine selbstgebaute Rakete gebunden? Adams-typischer Unsinn. Und doch: Die Geschichten um Dr. Snuggles bekommen hier in dieser Folge tatsächlich eine Dimension, die auf einen anderen Planeten weist. In dieser von vorn bis hinten in sich schlüssigen Geschichte erhält "Dr Snuggles" einen Grad an Stringenz, die diese Folge tatsächlich über den sonstigen Durchschnitt heraushebt. Zwar können Adams und Lloyd hier auch märchenhafte Elemente einbauen, doch ganz so einfach wie die Geschichten vom verblassenden Regenbogen, vom Ballonrennen oder vom Bau des Putzroboters sind die Plot-Elemente nicht.
Adams ist in seinem Element, der SF-Parodie. Doch der Grund, überhaupt ins All zu fliegen, ist ein Umweltproblem auf der Erde. Die Außerirdischen hätten dieses Wasser nie mitgenommen, würden die Menschen es nicht so verdrecken. Der Schluß des Films wirft den Blick des Betrachters zurück auf sich selbst und sein eigenes Verhalten dem Wasser und seiner Umwelt gegenüber.
Dieses Umweltproblem kindgerecht aufgearbeitet zu haben ist der eine Verdienst dieser Folge. Der andere ist, dass es Adams hier gelungen ist, ein Umweltproblem gleichzeitig in seinen märchenhaften SF-Plot einzubinden, ohne dass der moralische Zeigefinger herausgeholt wird und ohne, dass die Geschichte unter der Schwere des Themas zu leiden hätte.
Die Umweltproblematik ist das zweite große Thema bei Douglas Adams, vor allem in seinem Spätwerk, in seinem Buch "Last Chance to See". Seine auch öffentlichen Anstrengungen in seinen letzten Lebensjahren galten vielfach Umwelt- und Naturschutzfragen. Viele seiner Aufsätze und Interviews in den 1990er Jahren behandeln diese Themen. So weist seine Webseite nach wie vor auf den Save The Rhino-Fund, einer Umweltorganisation, die sich der Rettung der Nashörner verschrieben hat.
Zwar behandelt auch die andere Folge, Die Reise nach Nirgendwo, diese Thematik. Da sie aber stilistisch und inhaltlich deutlich schwächer ist, steht diese Folge "Die Wasserdiebe aus dem Weltraum" wie ein verkanntes Verbindungsstück zwischen zwei großen Teilen von Adams' Werk: Er hat nie wieder eine derartige Verbindung seiner Interessen im Bereich Umwelt und Natur auf der einen Seite, SF und SF-Parodie auf der anderen Seite hinbekommen. Sein Buch "Last Chance to See" steht deshalb so allein  in Adams' Œuvre, weil diese "Dr Snuggles-Folge" - unverdientermaßen - in Vergessenheit geraten ist. Sie bleibt ein Mosaiksteinchen, das das Gesamtwerk von Douglas Adams in einem anderen Licht erscheinen läßt.

Der Comic
Es gibt die Folgen der Serie auch als bei Condor erschienene Comics (auch die sind bei eBay erhältlich). Uns liegt zum Studium das Heft Nr 5 vor. Mit einem Copyright-Vermerk von 1981 ausgestattet, bringt sie im letzten Drittel des Hefts, das keine Seitennummern aufweist, die Geschichte "Die Wassermenschen". Sie beginnt, als Snuggles mit seiner Rakete bei der Kosmo-Katze ankommt. Diese schickt ihn weiter zu Woogie, dem Kamel. Damit fehlen dieser Version der Anfang mit dem ängstlichen Fluss und der Besuch bei Onkel Bill auf seiner Unterwasserstation. Der war zwar in Heft 4 in einer ganz anderen Geschichte gebracht worden, aber dort hatte Onkel Bill nur gesagt, dass Löcher im Meer erschienen. Der Zusammenhang fehlt also völlig. In  Heft 5 folgt dann auf den Besuch bei Woogie der Flug zum Wasserplaneten, wo sich dem Doktor die Sachlage wie im Film darstellt. Am Ende kommt es auch im Comic zum "Einpassen der Bauklötze" im Meer, aber das Ende mit dem Fluss fehlt hier dann notwendigerweise.

Der Internet-Comic
Unter http://www.doctorsnuggles.com/Books/The_Ever_So_Sorrowful_River/index.html findet sich - unter einem abermals anderen Titel - eine simple Variante dieser Geschichte, ohne den Hinweis auf Douglas Adams. Zeichnerisch anders gestaltet als der 1981 erschienene Comic, fällt er gegen die Fernsehfolge ganz massiv ab. Die Webseite wird von Jeffrey O'Kelley, dem Erfinder von "Dr Snuggles", verwaltet.



Hinweis:
Die bei eBay erhältliche Videokassette "Doctor Snuggles als lustiger Zauberer" beinhaltet vier auf Spielfilmlänge zusammengeschnitte Einzelfolgen (1, 5, 6 und 9). Diese Kassette scheint für den US-Markt enstanden zu sein und wurde für den deutschen Markt neu synchonisiert. Entgegen eines Bildes auf der Rückseite der Hülle - vom ängstlichen Fluss in seiner Höhle - ist die Folge "Die Wasserdiebe aus dem Weltraum" nicht enthalten. Sie ist neu nicht zu erhalten und hätte nie verkauft werden dürfen. Die Exemplare im Umlauf sind illegale Restbestände eines gescheiterten Versuchs, aus Snuggles nochmal Geld herauszuholen.

Weitere Links
Die Diskussionen in der USENET-Gruppe alt.fan.douglas-adams helfen bei Fragen sicherlich weiter. Erstaunlicherweise ist die Ausbeute in den USENET-Gruppen überhaupt relativ dünn und fehlerhaft.


© Alexander Pawlak und Matthias Bode und  non volio 2005