Das Schartenburg-Projekt
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Wie um
alle alten Gemäuer ranken sich auch um die Schartenburg merkwürdige
Geschichten, Geister- und Spukgeschichten, die in irgendeiner Zeit lange
vor der unsrigen spielen. Wir dokumentieren hier einen Text, der wohl bereits
richtig alt war, als er 1860 aufgeschrieben wurde. Im Text selbst taucht
die Burg nicht auf, aber warum sollte im Berg ein Schatz sein, wenn er nicht
unter der Burg liegt?
Die Sage von der
weißen Jungfrau vom Schartenberg
Vor langer
Zeit hütete einmal an einem Frühlingsmorgen ein Schäfer am
Abhange des Schartenbergs bei Zierenberg. Er dachte eben an seine Armut und
an die Schätze, die im Schartenberg verborgen sein sollten, als ein
weiße Jungfrau aus dem Gebüsch freundlich auf ihn zutrat und ihn
aufforderte, mit ihr in den Berg zu gehen. Der Hirt ließ sich nicht
lange nötigen, brach auf ihr Gebot eine schöne Blume aus dem Grase,
die er vorher nicht bemerkt hatte, und sogleich tat sich der Berg auf. Große
Haufen von Gold sah er drinnen glänzen, und die Jungfrau gab ihm einen
Wink, davon zu nehmen, so viel ihm beliebe. Mit gieriger Hast fiel er nun
über den Goldhaufen her, füllte sein Taschen mit dem edlen Metalle
und wollte sich ganz freudetrunken wieder entfernen.
Doch als er den Fuß
is Freie setzte, fiel der Berg mit Geräusch hinter ihm zu, und er sah
weder die Jungfrau noch die Goldhaufen mehr, und sein Taschen waren so leer
wie zuvor, denn ach! er hatte nicht beachtet, dass ihm die schöne Blume
drinnen entfallen war. Er hatte sie liegen lassen, und so war sein Reichtum
zerronnen, wie er ihn gewonnen hatte.
Textfassung: Jahrbuch des Kreises Hofgeismar 1952, S. 58.
Quelle: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen / gesammelt
von Karl Lynker; Cassel: Wigand, 1860.
Bemerkenswert
erscheint uns, dass es eine weitere Geschichte gibt, die vom Schatz unter
der Burg handelt. Sie dokumentieren wir hier nicht, sondern verweisen auf
den Text, der sich auf der Webseite der Stadt Zierenberg befindet.
Dort versuchen, drei Männer während des 30jährigen Krieges
in die Burg einzusteigen, lassen es aber am Ende sein. Auch sie haben keinen
Schatz gefunden, aber auch keine weißen Frauen gesehen.
Letzten Endes ziehen Ruinen immer Geschichten an, Geschichten, die in den
Resten spielen und mit den Resten spielen. Die Geschichen vom Schatz antworten
auf die Frage, mit welchen Mitteln sich ein solch riesiges Gemäuer errichten
läßt und fangen gleichzeitig das ungute Gefühl auf, das
entsteht, wenn man sich fragt, ob die Burgbewohner denn tatsächlich
und für immer gegangen sind. Nein, sind sie nicht, denn ihren Schatz
haben sie dagelassen. Ein kleiner Sieg über die Vergänglichkeit.
Da es aber natürlich keine Schätze gibt unter der Schartenburg,
müssen beide Märchen mit einer Niederlage der Menschen enden, die
das Gold bergen wollen.
© non volio 2004