Georg Landau: Die hessischen Ritterburgen und ihre Besitzer (Kassel, 1832)


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Editorische Notiz: Wir zitieren hier allein die Beschreibung der Burg Schartenberg, wie Landau sie 1832 liefert. Seine langen Ausführungen zu den sie besitzenden Adelsfamilien sind hier nicht wiedergegeben, da sie in jeweils verkürzten Fassungen auch bei den anderen beiden Darstellungen erscheinen. Die Burg Schartenberg ist bei ihm Kap. 14 des 1. Bandes (???), das Kapitel beginnt auf Seite 355. Die Paginierung ist im Text mit z.B. [/356] wiedergegeben, Absätze, Zeichensetzung und Orthografie wurden unverändert übernommen.

14. Schartenberg

Nördlich von Zierenberg, kaum 3/4 Stunden von diesem Städtchen, lag auf einer nicht sehr beträchtlichen Höhe, die alte Burg Schartenberg.

Der Berg, auf welchem sich die Trümmer dieses Schlosses befinden, erhebt sich nahe über dem Hofe Rangen. Der Weg von Zierenberg aus führt durch das Schartenberger Thor, welches von jenem Schlosse seinen Namen hat, über die Warme und dann auf einem Fahrwege, an den zum Theil bewaldeten Abhängen des großen und kleinen Schreckenberges hin. Auch vom Hofe Rangen führt ein Fußsteig hinauf, aber er ist nur sehr wenig betreten und durch dichtes Gebüsche und seine Steile sehr beschwerlich.

Nur auf der Nordseite hängt der Schloßberg mit den übrigen, sich längs der Warme hinziehenden Höhen sichtbar zusammen. Jäh senken sich seine dicht bewaldeten, besonders östlich und westlich unersteigbaren, Abhänge hinab und geben ihm dadurch einen wilden und rauhen Charakter.

Nur wenige Mauern und ein Thurm sind von der [/356] ehemaligen Burg noch vorhanden, und diese bestehen, was gewiß etwas seltenes ist, ganz aus - Kalksteinen (Muschelkalk). Man hatte dieses dieses Gestein ganz in seiner Nähe; denn nicht allein am Burgberge, sondern auch an den übrigen Warmebergen bildet es die Hauptgebirgsmasse; aber dennoch muß man fragen, warum man kein dauerhafteres und festeres Material herbeischaffte, da insbesondere einige ganz nahe Berge, unter anderem der große und kleine Schreckenberg, Basalt in hinlänglicher Menge darboten.

Der Hauptüberrest der ehemaligen Burg ist ein runder, von schön behauenen Kalkstein-Quadern ausgeführter Thurm, dessen Höhe an siebenzig bis achtzig und der Durchmesser an fünf und dreißig Fuß halten mag. Nur in der Mitte seiner Höhe hat er eine Thüröffnung, durch welche man die Dicke der Mauer sieht, die jedenfalls an zehn Fuß beträgt. Auf der westlichen Seite dieses Thurmes läuft eine Mauer hin, die etwa an achtzig Fuß Länge und sowie zwölf Fuß Höhe und vier Fuß Dicke hat und in mehrere Stücke zerrissen ist; sie bildete, wie es scheint, die Grundmauer von Gebäuden, die sich an den Thurm lehnten, so daß man aus ihnen durch jene Thüröffnung in diesen gelangen konnte. Die Mauern des Thurmes zeigen zwar hiervon keine Merkmale, da diese Seite desselben sehr beschädigt ist. Wie so manchem zerfallenem Schlosse, ward auch ihm vor einigen Jahren das Schicksal der Vernichtung zugedacht, um die Steine anderswo verbrauchen zu können, und nur der Umstand, daß diese beim Herabstürzen in Brocken zerfielen, wie man leicht hätte voraussehen können, vermochte ihn zu erhalten. Wenn man durch jene Oeffnung in dem Thurme hinab-[/357]steigt, welches man nur vermittelst Leitern vermag, so soll man in bedeutende Kellergewölbe kommen. Früher soll auch ein Öffnung am Boden gewesen sein, durch welche man in die Gewölbe gelangen konnte, von der man jedoch jetzt keine Spur mehr bemerkt.

Auf den ersten Blick scheint die Burg sehr klein gewesen zu seyn, doch bei näherer Untersuchung ändert sich diese Meinung. So viel man aus den hier und da noch sichtbaren Grundmauern sehen kann, trat man südlich zunächst in einen Hof von etwa 100 Fuß Länge und 90 Fuß Breite und aus diesem in einen zweiten  von 165 Fuß Länge und und über 100 F. Breite, in welchem die Hauptgebäude lagen. Wahrscheinlich ist es, daß den jetzt öden, nur von Bäumen bewachsenen Boden jenes ersten Hofes auch Gebäude bedeckten, doch findet man keine Spur mehr hiervon. Die hier und da noch sichtbaren Mauerreste laufen dicht an den steilen Abhängen hin. Auch ein tiefer Graben ist noch sichtbar, der die Nord- und Ostseite rings umschließt.

Im Vordergrunde des zweiten Hofes, d.h. zwischen dem westlichen Abhange und dem Thurme, befinden sich, auf einem eben gemachten Platze, unter dem Schatten junger Buchen, Ruhebänke und Tische, die den Bewohnern Zierenberg`s ihr Entstehen verdanken. An heiteren Sommerabenden vergnügen sie sich dann oft mit Musik und Tanz und beleben die Grabesstille, die hier schon seit Jahrhunderten weilt.

Nur nach der Westseite ist eine Aussicht möglich und diese ist beschränkt. Man blickt hinab in das Thal, welches die Warme gleich einem Silberfaden durchschlängelt. [/358] Ringsum heben sich hohe Berge, die den größten Theil der Aussicht versperren, so daß man nur Zierenberg, Ehlen, Burghasungen, Rangen, Laare und die Colonie Friedrichsaue sehen kann. Aber auch jene Berge geben durch die schöne grüne Farbe ihrer Wälder, besonders aber dadurch, daß mehrere einst Burgen trugen, deren Trümmer sie nun schmücken, einen eignen Reiz; so bilden die Malsburg, die beiden Gudenberge und der zwar kahle Hasungerberg mit seinem hohen Thurme und dann der hohe Bärenberg, der Escheberg, die Schreckenberge, die Habichtsberge u.a. eine meistens grüne Grenze.

Vom Schartenberge zieht sich ein zum Theil verschütteter Graben ins Thal herab, gleichwie auch von den gegenüber liegenden Gudenbergen, und beide scheinen miteinander verbunden gewesen zu seyn; auch findet sich noch ein anderer, diesen ähnlicher Graben, der seine Richtung gegen Grebenstein nimmt. Man nennt sie die Landwehrgräben und dieser Name widerspricht der Volksmeinung, die diese für bedeckte, nun aber verfallene Verbindungswege der nahen Schlösser hält und macht sie vielmehr zu Grenzlinien.

 
Es folgt die Erzählung der Geschichte der Burg und der sie besitzenden Familien. Sie beginnt hier auf Seite 358 und läuft, die Anmerkungen eingeschlossen, bis Seite 379.

Kommentar: Die Darstellung Landaus aus dem Jahre 1832 enthält einige wichtige Details: Zum einen die 1832 noch sichtbare Tür im Turm, die wohl den Ansatzpunkt für die Verwitterung der Westseite bot. Zum anderen fehlt bei ihm der Hinweis auf den - dann wohl erst später - in den Turm gebrochenen Tunnel. Auch der etwas vage formulierte Hinweis auf die Kellergewölbe erscheint interessant. Problematisch erscheint jedoch, dass er scheinbar auf eine ausgedehnte Geländebegehung verzichtet hat und ihm dem entsprechend das dem Turmbereich nach Norden vorgelagerte Groppe-Schloß, der noch einmal so große zweite Burgbereich (vgl. den Lageplan), entgangen ist. Auch der Hinweis auf das Landwehrsystem am Ende erscheint interessant, doch fehlen genau jene Details, die dessen Verbindung zur Burg sowie dessen Bedeutung und Alter erkennen ließen.

 


© Matthias Bode und non volio 2004