Das Schartenburg-Projekt

Ernst Happel: Mittelalterliche Befestigungsbauten in Niederhessen, Kassel 1902Ansicht der Burg nach Happel, 1902

Ernst Happel stellt sich im Vorwort seiner 84seitigen Schrift als interessierten Laien vor, der sich um die Erhaltung der hessischen Burgen bemühen will. Er habe, so Happel im Vorwort, weniger "archivalische Forschung" als Quelle seiner Arbeit, sondern "eigene Anschauung". Er hat seiner Arbeit auch 52 Ansichtszeichnungen beigegeben, die mit "E.H." gezeichnet sind. Wir können also davon ausgehen, dass Happel die Burg so gesehen hat, wie er sie beschreibt und zeichnet. Das Buch ist kurz und verzeichnet viele Burgen. Dem entsprechend ist der Abschnitt über die Schartenburg relativ kurz:

"Ebenso nur geringe Reste zeigt Schartenberg, welches aus dem sehr vergänglichen Material des Muschelkalk erbaut war; nur der Bergfried steht noch auf dem höchsten Punkte des Abschnittes, und terassenförmig am Bergabhange herab zogen sich die Burggebäude, wie der Plan sehr gut erkennen läßt.
Eine neuerliche Renovierung des genannten Bergfriedes ist leider im Anfangsstadium stehen geblieben und es wäre zu wünschen, daß sie auch durchgeführt würde, da der Turm noch in beständigem Zerfall begriffen ist."

Soweit die wenigen Zeilen Happels. Die Renovierung ist vermutlich jene, die Lange 1894 erwähnt hatte, als er vom Versuche sprach, das Innere des Turmes mit einer Treppe zugänglich zu machen. Richtig ist sicherlich, dass nur geringe Reste zu sehen sind - aber so wenig, wie Happel andeutet, sind es wirklich nicht. Der acht Jahre ältere Text Langes bietet erheblich mehr. Auch Happels Zeichnungen bieten mehr Informationen als sein dürftiger Text. Sein Büchlein enthält für die Schartenburg drei Illustrationen: Eine Ansicht des Turmes, eine Ansicht vom Warmetal aus und einen Lageplan.
  1. Der Lageplan wird an anderer Stelle ausführlich besprochen.
  2. Die Ansicht des Turmes. Happels eigene Federzeichnung aus dem Jahre 1902 enthält faszinierende Aspekte, die faszinierende und gleichzeitig ärgerliche Fragen aufwerfen. Zunächst muß festgestellt werden, dass der Standpunkt des Zeichners in etwa dem des Zeichners der Ansicht von 1952 entspricht, also ziemlich genau westlich des Turmes an der Talseite der Anlage. Von dort aus bot sich Happel wohl eine Reihe von Mauerresten, die sich in Lage und Form auf der Zeichnung 50 Jahre später wiederfinden lassen, wenngleich schlechter erhalten. Doch die Mauerreste unten rechts sind schwierig einzuordnen, auch überrascht die Höhe der Mauern. Wenn auch 1952 die Mauern auch noch recht hoch eingezeichnet sind, so fehlen heute jegliche Reste, die über die Hangkante hinausreichen. Sehr viel - im Sinne des Wortes - fragwürdiger noch ist die Darstellung des Turmes. Zum einen fällt die Abbruchkante deutlich tiefer als 1952 oder selbst heute. Da wohl eine Reparatur zwischen 1902 und 1952 auszuschließen ist, muss ein Fehler Happels vorliegen. Zum anderen bietet Happels Bild eine Art Gewölbe-Abschluss des Turmes nach oben. Dieses Gewölbedach bietet die Erklärung, warum Lange 1894 von einer versuchten Erschließung des Innenraums mit Treppen berichten konnte, denn mit einem solchen Gewölbedach ließe sich eine Aussichtsplattform realisieren. Bereits die Zeichnung von 1952 weist keinerlei Spuren dieses Daches auf. Wir könnten also festhalten, dass es zwischen 1902 und 1952 zu einem Einsturz dieses Gewölbes gekommen sein muss. Doch leider gibt es gegen diese Erklärung einen Einwand: Der liegt in der Existenz des Tunnels. Dieser, kurz vor 1894 hineingebrochen, ist bei Happel auch eingezeichnet und ist auch heute noch zugänglich. Wäre das Dach in den Turm hineingebrochen - und wo sonst hätte es hinfallen sollen? -, dann könnte der Tunnel durch die Verfüllung des Innenraumes kaum mehr zugänglich sein. Allerdings ist auch heute noch ein Ansteigen des Bodenniveaus im Tum zu bemerken. Die Unbekannte wäre demnach die Menge Schutt, die beim Zusammenbrechen anfiel. Nur ein weiterer Quellenfund kann in dieser Sache weiterhelfen.
  3. Die Ansicht vom Warmetal aus. Der genaue Standpunkt des Beobachters ist nur schwer festzustellen. Der Verlauf der Bäume entlang der Warme deutet darauf hin, dass er südwestlich Richtung Zierenberg auf der anderen Talseite gelegen hat, kurz vor der heute das Tal begrenzenden A44, vielleicht in Höhe der Zierenberger Warte, vielleicht hinüber Richtung Friedrichsaue. Problematisch an der Grafik ist aber, dass der Turm zu hoch steht. Dass die Bäume 1902 niedriger waren, mag zugestanden sein, aber der Bergfried steht nicht soweit über den dahinter liegenden Bergrücken hinaus. Diese 2005 aufgenommene Talansicht von Südwesten zeigt dies. Der Standort des Fotografen lag innerhalb Zierenbergs, im Bereich des Falkenwegs.

Quelle:
Mittelalterliche Befestigungsbauten in Niederhessen
Mit 52 Ansichten und 5 Grundrissen
Von Ernst Happel, Ingenieur
Kassel 1902

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